La respuesta seria de Benedicto XVI a un científico desorientado
Tan pronto la consiga en castellano, la publico. Es muy instructiva sobre cómo sostener un diálogo serio con gentes que se creen científicos y se contradicen en el espacio de diez páginas.
Leed.
18 Oktober 2013, 12:00
Sehr geehrter Herr Professor Odifreddi!
Das Schreiben Benedikts XVI. im originalen deutschen Wortlaut. Ein Diamant im Gespräch zwischen Glaube und Vernunft, der in die Grundfeste des „Vorhofs der Heiden“ eingesetzt ist. Von Armin SchwibachRom (kath.net/as) In einem im deutschen Original zwölf Seiten umfassenden Schreiben, das in erster Linie im besten und glänzendsten Sinne als „apologetische Abhandlung“ bezeichnet werden kann, hatte der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Sommer 2013 dem italienischen Mathematiker und militanten (Medien-) Atheisten Piergiorgio Odifreddi geantwortet. Odifreddi hatte im Jahr 2011 unter dem Titel „Lieber Papst, ich schreibe Dir“ („Caro Papa, ti scrivo“) einen an den Papst und Theologen Joseph Ratzinger gerichteten „Brief“ in Buchform veröffentlicht. Absicht Odifreddis war es gewesen, die wissenschaftslogische Weltanschauung gegen die metaphysisch-theologische Sicht der Religion zu stellen. Die Zeitung „La Repubblica“ veröffentlichte dann Ausschnitte aus dem Brief Benedikts XVI. in ihrer Ausgabe vom 24. September (kath.net hat berichtet).
Sein Buch hatte Odifreddi nach dem Amtsverzicht Benedikts XVI. unter der Vermittlung eines gemeinsamen Bekannten über Erzbischof Georg Gänswein dem emeritierten Papst überreichen lassen. Trotz des bisweilen harschen und aggressiven Tons Odifreddis las Benedikt XVI. das Buch aufmerksam – so aufmerksam, dass ihn dies zur Verfassung seines Antwortschreibens veranlasste.
kath.net veröffentlicht den Brief vom 20. August 2013 des emeritierten Papstes Benedikt XVI. an den italienischen Mathematiker Piergiorgio Odifreddi im originalen deutschen Wortlaut. Gleichzeitig danken wir Seiner Heiligkeit für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung und versichern ihn unseres beständigen Angedenkens im Gebet:
Sehr geehrter Herr Professor Odifreddi!
Zunächst muß ich um Nachsicht bitten, daß ich erst heute für die Übersendung Ihres Buches Caro Papa, ti scrivo danke, wie auch für die freundlichen Zeilen, die Sie bei dieser Gelegenheit über Erzbischof Gänswein indirekt auch an mich gerichtet haben. Aber ich wollte nicht schreiben, ohne vorher das Buch gelesen zu haben, und da noch immer vielerlei Arbeit auf mir lastet, bin ich erst jetzt mit der Lektüre zu Ende gekommen.
Heute möchte ich Ihnen also endlich dafür danken, daß Sie bis ins Detail hinein den Dialog mit meinem Buch und so mit meinem Glauben versucht haben; dies ist weitgehend das, was ich in meiner Weihnachtsrede 2009 mir vorgestellt hatte. Zu danken habe ich auch für die loyale Behandlung meines Textes, dem Sie ernstlich versucht haben, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Mein Urteil über Ihr Buch im ganzen ist freilich eher zwiespältig. Einige Teile habe ich mit Genuß und mit Gewinn gelesen. In anderen Teilen habe ich mich jedoch über eine gewisse Aggressivität und die Eilfertigkeit der Argumentation gewundert.
Gern würde ich auf Kapitel um Kapitel antworten, aber dazu reicht leider meine Kraft nicht aus. So wähle ich einige mir besonders wichtig erscheinende Punkte.
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I.
Zunächst wundere ich mich, wie Sie auf Seite 25f meine Option, die Sinnenwahrnehmung zu überschreiten, um die Wirklichkeit in ihrer Größe wahrzunehmen, als „un’esplicita negazione del principio di realtà“ ["eine explizite Negation des Wirklichkeitsprinzips"] oder als „psicosi mistica“ ["mystische Psychose"] interpretieren, während ich doch genau das sagen wollte, was Sie dann auf Seite 29f über die Methode der Naturwissenschaft ausführen – das „trascendere le limitazioni della sensorialità umana“ ["das Überschreiten der Begrenzungen der menschlichen Sinnlichkeit“]. So bin ich ganz und gar einverstanden mit dem, was Sie auf Seite 40 schreiben: „… la matematica presenta una profonda affinità con la religione“ ["die Mathematik präsentiert eine tiefe Affinität mit der Religion"]. In dieser Sache also sehe ich keinen wirklichen Gegensatz zwischen Ihrem Ansatz und dem meinigen. Wenn Sie dann Seite 49 ausführen, daß die „vera religiosità… oggi si ritrova più nella scienza che nella filosofia“ ["die wahre Religiosität... sich heute mehr in der Wissenschaft als in der Philosophie findet"], so kann man über diesen Satz natürlich streiten, aber ich freue mich doch, daß Sie Ihre eigene Arbeit hier als „vera religiosità“ ["wahre Religiosität] verstanden wissen wollen. Hier wie später wieder Seite 65 und dann noch einmal in dem Kapitel „Il suo e il mio Credo“ ["Sein und mein Credo"] betonen Sie, daß der Verzicht auf den „Anthropomorphismus“ eines als Person gedachten Gottes und die Verehrung der razionalità die wahre Religiosität seien. Auf Seite 182 Ihres Buches sagen Sie demnach ganz drastisch, „che la matematica e la scienza sono l’unica vera religione, il resto è superstizione” ["dass die Mathematik und die Wissenschaft die einzige wahre Religion sind, der Rest ist Aberglaube"].
Nun kann ich durchaus verstehen, daß man es als Anthropomorphismus empfindet, die schöpferische Urvernunft als eine Person mit einem Ich zu verstehen; dies scheint eine Verkleinerung der für uns unfaßbaren Größe des Logos. Der Trinitätsglaube der Kirche, dessen Darstellung in meinem Buch Sie sehr objektiv wiedergeben, drückt ja irgendwie auch das ganz Andere, Geheimnisvolle, uns immer nur von fern zu Ahnende Gottes aus. An dieser Stelle möchte ich die Bemerkung des sogenannten Dionysius Pseudo-Areopagita erwähnen, der einmal sagt, daß natür-lich die philosophischen Geister von den biblischen Anthropomorphismen abgeschreckt werden und sie als unangemessen empfinden. Aber die Gefahr dieser aufgeklärten Menschen ist es, daß sie ihren philosophischen Gottesbegriff dann für adäquat finden und vergessen, daß auch ihre philosophischen Ideen unendlich weit von der Realität des ganz Anderen entfernt bleiben. So seien diese Anthropomorphismen nötig, um die Arroganz des Denkens zu überwinden, ja, man müsse sagen, daß in gewisser Hinsicht wohl die Anthropomorphismen sich mehr der Realität Gottes annähern als die bloßen Begriffe. Im übrigen bleibt immer gültig, was das 4. Laterankonzil 1215 gesagt hat, daß nämlich jeder Begriff von Gott nur analog sein kann und die Unähnlichkeit mit dem wahren Gott stets unendlich größer ist als die Ähnlichkeit.
Dies vorausgeschickt, muß nun aber doch gesagt werden, daß ein göttlicher Logos auch Bewußtsein sein muß und in diesem Sinn Subjekt und Person. Objektive Vernunft setzt immer Subjekt, ihrer selbst bewußte Vernunft voraus.
Seite 53 Ihres Buches sagen Sie, daß diese Unterscheidung, die 1968 noch gerechtfertigt erscheinen konnte, angesichts der künstlichen Intelligenzen, die es heute gibt, nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Da überzeugen Sie mich nun überhaupt nicht. Denn diese Intelligenz ist ganz offensichtlich eine von bewußten Subjekten mitgeteilte, in den Apparaturen deponierte Intelligenz. Sie hat einen klaren Ursprung, eben in der Intelligenz der menschlichen Urheber der Apparate.
Schließlich kann ich Ihnen auch überhaupt nicht folgen, wenn Sie an den Anfang nicht den Logos mit maiuscolo stellen, sondern den logos matematico mit minuscolo (Seite 85). Der Logos am Anfang ist wahrhaftig ein Logos über allen logoi.
Natürlich ist der Übergang von den logoi zum Logos, wie ihn der christliche Glaube mit den großen griechischen Philosophen vollzogen hat, ein Sprung, der nicht ein-fach bewiesen werden kann: Er führt aus der Empirie in die Metaphysik und damit in eine andere Ebene des Denkens und der Wirklichkeit. Aber dieser Sprung ist mindestens so logisch wie seine Bestreitung. Ich denke auch, wer ihn nicht vollziehen kann, sollte ihn doch als eine ernste Frage auffassen. Dies ist der entscheidende Punkt in meinem Dialog mit Ihnen, auf den ich zum Schluß noch einmal zurückkommen werde: Ich würde erwarten, daß ein ernsthaft Fragender immerhin jenes „Vielleicht“ anerkennt, von dem ich im Anschluß an Martin Buber in meinem Buch gesprochen habe. Beide Seiten müssen auf der Suche bleiben. Mir scheint, daß Sie aber statt dessen in einer dogmatistischen Art die Suche abbrechen und nicht mehr fragen, sondern mich nur noch belehren.
II.
Das eben Ausgeführte ist für mich Kernpunkt eines wirklichen Dialogs zwischen Ihrem „wissenschaftlichen“ Glauben und dem Glauben der Christen. Alles andere ist demgegenüber sekundär. So werden Sie mir erlauben, mich in Sachen Evolution kürzer zu fassen. Zunächst möchte ich feststellen, daß kein ernstlicher Theologe bestreiten wird, daß der ganze Baum des Lebens in einem inneren lebendigen Zusammenhang steht, für den das Wort Evolution angemessen ist. Auch wird kein ernstlicher Theologe der Meinung sein, daß Gott, der Schöpfer, immer wieder in Zwischenstufen gleichsam handwerklich in den Vorgang der Entwicklung eingreifen mußte. In diesem Sinn sind viele Attacken auf die Theologie in Sachen Evolution unbegründet. Auf der anderen Seite wäre es dem Fortgang der Erkenntnis nützlich, wenn auch die Vertreter der Naturwissenschaft sich offener problembewußt zeigen würden und klarer ausgesagt würde, wie viele Fragen hier offenbleiben.
In diesem Betracht habe ich immer das Werk von Jacques Monod als vorbildlich angesehen, der ganz deutlich darstellt, daß wir die Wege, wie jeweils neue, sinnvolle DNA’s entstehen, letztendlich nicht kennen. Ich bestreite daher Ihre These auf Seite 129, daß die vier von Darwin entwickelten Typologien perfekt alles erklären würden, was die Evolution der Pflanzen und der Tiere, den Menschen inbegriffen betrifft. Im übrigen möchte ich doch erwähnen, daß es in diesem Bereich viel fan-tascienza gibt; ich werde es an anderer Stelle erwähnen. Im übrigen hat der Freiburger Mediziner Joachim Bauer in seinem Buch Prinzip Menschlichkeit (Hamburg 2007) die Probleme des Sozialdarwinismus eindrücklich dargestellt; darüber sollte man auch nicht schweigen.
Das Ergebnis des „Long-term evolution experiment“, von dem Sie auf Seite 121 sprechen, ist nicht allzu weitreichend. Die versuchte Kontraktion der Zeit bleibt letztlich doch fiktiv, und die erreichten Mutationen reichen nicht sehr weit. Vor allem aber muß der Mensch als Demiurg immer wieder nachhelfen, was wir ja gerade bei der Evolution ausschließen wollen. Im übrigen finde ich es sehr wichtig, daß Sie in Ihrer „Religion“ nun doch auch drei „Mysterien“ anerkennen: die Frage nach dem Ursprung des Universums, nach der Entstehung des Lebens und nach dem Ursprung des Bewußtseins der höheren Lebewesen. Sie sehen zwar auch hier offenbar den Menschen als eine Spezies der Affen und stellen damit die Menschenwürde grundsätzlich in Frage; immerhin bleibt das Aufbrechen des Bewußtseins ein offenes Problem für Sie (Seite 182).
III.
Mehrfach lassen Sie mich wissen, daß Theologie eine fantascienza [grundlose, erfundene Pseudowissenschaft] sei. Insofern wundere ich mich, daß Sie mein Buch doch einer so ausführlichen Diskussion würdig halten. Lassen Sie mich zu dieser Frage vier Punkte vorlegen:
1. Es ist richtig, daß „Wissenschaft“ im strengsten Sinn des Wortes nur die Mathematik ist, wobei ich von Ihnen gelernt habe, daß auch hier noch einmal zwischen Arithmetik und Geometrie unterschieden werden muß. In allen Sachbereichen hat Wissenschaftlichkeit ihre je eigene Form gemäß der Eigentümlichkeit ih-res Gegenstandes. Wesentlich ist, daß sie eine überprüfbare Methode anwendet, die Willkür ausschließt und Rationalität in den je verschiedenen Weisen garantiert.
2. Zumindest sollten Sie anerkennen, daß die Theologie im historischen Bereich und im Bereich des philosophischen Denkens große und bleibende Leistungen vorgelegt hat.
3. Eine wichtige Funktion der Theologie ist es, die Religion an der Vernunft und die Vernunft an der Religion festzuhalten. Beides ist für die Menschheit von wesentlicher Bedeutung. In meinem Dialog mit Habermas habe ich gezeigt, daß es die Pathologien der Religion und – nicht weniger gefährlich – die Pathologien der Vernunft gibt. Beide bedürfen einander, und sie immer wieder zueinander zu halten, ist eine große Aufgabe der Theologie.
4. Fantascienza gibt es im übrigen unter dem Dach vieler Wissenschaften. Was Sie über die Theorien von Anfang und Ende der Welt bei Heisenberg, Schrödinger usw. darstellen, würde ich als fantascienza im guten Sinn bezeichnen – Visionen und Vorgriffe, um zu wirklicher Erkenntnis zu kommen, aber eben doch nur Vorstellungen, mit denen wir uns der Realität anzunähern versuchen. Im übrigen gibt es fantascienza im großen Stil gerade auch innerhalb der Evolutionslehre. Das egoistische Gen von R. Dawkins ist ein klassisches Beispiel von fantascienza. Der große J. Monod hat Sätze geschrieben, die er selber sicher nur als fantascienza in sein Werk eingefügt hat. Ich zitiere: „Das Auftreten der vierfüßigen Wirbeltiere… geht darauf zurück, daß ein Urfisch sich ‚entschieden’ hatte, das Land zu erforschen, auf dem er sich jedoch nur durch unbeholfene Sprünge fortbewegen konnte. Im Gefolge dieser Verhaltensänderung schuf er den Selektionsdruck, durch den sich dann die starken Glieder der Vierfüßler entwickeln sollten. Unter den Nachkommen dieses ‚kühnen Forschers’, dieses Magellan der Evolution, können einige mit einer Geschwindigkeit von mehr als 70 Kilometern in der Stunde laufen…“ (zitiert nach der deutschen Ausgabe Zufall und Notwendigkeit, München 51973, Seite 157f).
IV.
Bei allem bisher Besprochenen handelt es sich um einen ernsthaften Dialog, für den ich – wie schon mehrmals gesagt – dankbar bin. Anders verhält es sich bei dem Kapitel über den Priester und die katholische Moral und noch einmal anders bei den Kapiteln über Jesus. Was Sie über den moralischen Mißbrauch von Minderjährigen durch Priester sagen, kann ich – wie Sie wissen – nur mit tiefer Bedrückung zur Kenntnis nehmen. Ich habe nie versucht, es zu beschönigen; daß die Macht des Bösen so weit bis in die innere Welt des Glaubens hineinreicht, ist ein Leiden für uns, das wir einerseits tragen müssen, während wir gleichzeitig alles tun müssen, damit solche Fälle sich nicht wiederholen. Es ist auch keine Tröstung, daß nach den Erkenntnissen der Soziologen der Anteil der straffälligen Priester nicht höher ist als auch in anderen vergleichbaren Berufsgruppen. Immerhin sollte man nicht auftrumpfend es so hinstellen, als ob es sich um einen spezifischen Schmutz des Katholizismus handelte.
Wenn über das Böse in der Kirche nicht geschwiegen werden darf, so darf aber auch die große Lichtspur der Güte und der Lauterkeit, die der christliche Glaube die Jahrhunderte hindurch gezogen hat, nicht verschwiegen werden. Man muß erinnern an die großen und reinen Gestalten, die der Glaube hervorgebracht hat – von Benedikt von Nursia und seiner Schwester Scholastika zu Franz und Klara von Assisi, zu Teresa von Avila und Johannes von Gott, zu den großen Heiligen der Nächstenliebe wie Vinzenz von Paul und Camillus von Lellis bis hin zu Madre Teresa und zu den großen edlen Gestalten im Turin des 19. Jahrhunderts. Auch heute gilt, daß der Glaube viele Menschen zu selbstloser Liebe, zum Dienst für die anderen, zur Wahrhaftigkeit und zur Gerechtigkeit führt. Auch Ihnen kann nicht unbekannt sein, was durch den Dienst der Kirche und ihrer Gläubigen an selbstloser Hilfe für die Leidenden geschieht. Würde man wegnehmen, was durch diese Motivation getan wird, so würde weithin ein sozialer Zusammenbruch erfolgen. Nicht verschweigen darf man endlich, was der Glaube der Welt an Schönem geschenkt hat: Das ist nirgends so sichtbar wie in Italien. Denken Sie auch an die vom Glauben inspirierte Musik, vom Gregorianischen Choral über Palestrina zu Bach, Mozart, Haydn, Beethoven, Bruckner, Brahms usw.
V.
Was Sie zur Gestalt Jesu sagen, ist Ihres wissenschaftlichen Ranges nicht würdig. Wenn Sie es so hinstellen, als ob man von Jesus im Grund überhaupt nichts wisse und er als historische Gestalt überhaupt nicht faßbar sei, so kann ich Sie nur dringend einladen, sich historisch etwas kundiger zu machen. Ich empfehle Ihnen dabei vor allem die vier Bände, die Martin Hengel (Exeget an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen) zusammen mit Maria Schwemer herausgegeben hat – ein Musterbeispiel historischer Genauigkeit und breitester historischer Information. Demgegenüber ist das, was Sie zu Jesus sagen, leichtfertiges Gerede, das Sie nicht wiederholen sollten. Daß in der Exegese auch viel Unernstes geschrieben wurde, ist leider nicht zu bestreiten. Das amerikanische Seminar über Jesus, das Sie auf Seite 105f zitieren, bestätigt nur noch einmal, was Albert Schweitzer über die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung festgestellt hatte, daß nämlich der soge-nannte historische Jesus meistens nur einen Spiegel der Ideen der Verfasser darstellt. Solche Formen mißglückter historischer Arbeit ändern aber nichts an der Bedeutung ernsthafter historischer Forschung, die uns zu wirklichen Erkenntnissen über die Verkündigung und die Gestalt Jesu geführt hat.
Auf Seite 104 gehen Sie bis zu dem Punkt, daß Sie die Frage stellen, ob Jesus nicht vielleicht einer der vielen Scharlatane war, die das arme Volk mit Magien und Tricks betört haben. Und auch wenn es nur als Frage gestellt ist und gottlob nicht als These auftritt, sollte Sie die Ehrfurcht vor dem, was anderen heilig ist, an solchen Ausfällen hindern (vgl. auch die Rede von „sciocca ciarlataneria“ Seite 104).
Im übrigen muß ich Ihre Behauptung (Seite 126) nachdrücklich zurückweisen, daß ich die historisch-kritische Exegese als ein Instrument des Antichristen hingestellt habe. Ich habe lediglich bei der Behandlung der Versuchungsgeschichte die These Solowjews aufgenommen, daß historisch-kritische Exegese auch vom Antichrist benützt werden kann – was unbestreitbar ist. Zugleich habe ich aber immer, besonders auch im Vorwort zum ersten Band meines Jesusbuchs, deutlich klargestellt, daß historisch-kritische Exegese notwendig ist für einen Glauben, der nicht Mythen in geschichtlichen Bildern darstellt, sondern reale Geschichtlichkeit beansprucht und daher die historische Realität seiner Aussagen auch wissenschaftlich darstellen muß. Deswegen ist es auch nicht richtig, wenn Sie sagen, ich habe mich nur für die metastoria interessiert – ganz im Gegenteil, all mein Bemühen geht dahin zu zeigen, daß der von den Evangelien dargestellte Jesus auch der wirklich historische Jesus ist, daß es sich um wirklich geschehene Geschichte handelt.
An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, daß Ihre Darstellung des crede ut intellegas nicht mit der augustinischen Fassung des Gedankens übereinstimmt, die mich leitet: Für Augustinus gehören crede ut intellegas und intellege ut credas in je spezifischer Weise untrennbar zusammen. Ich darf dafür auf den Artikel „crede ut intellegas“ von E. TeSelle im Augustinus-Lexikon (hg. von C. Mayer), Band 2, Basel 1996 – 2002, Spalte 116 – 119 verweisen.
An dieser Stelle erlaube ich mir die Bemerkung, daß Sie im Sinn der Wissenschaftlichkeit der Theologie und ihrer Quellen mit historischen Behauptungen vorsichtiger umgehen sollten. Ich nenne nur ein Beispiel. Auf Seite 109 sagen Sie uns, der Umwandlung des Nilwassers in Blut entspreche die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana. Das ist natürlich Unsinn. Die Umwandlung des Nilwassers in Blut ist eine Plage, die den Menschen das Lebenselement des Wassers für einige Zeit entzieht, um das Herz des Pharaos aufzuweichen. Die Verwandlung des Wassers in Wein zu Kana ist dagegen das Geschenk hochzeitlicher Freude, das Gott im Übermaß den Menschen schenkt – Hinweis auch auf die Verwandlung des Wassers der Tora in den köstlichen Wein des Evangeliums. Es gibt zwar im Johannes-Evangelium die Mose-Typologie, aber nicht an dieser Stelle.
VI.
Mit dem 19. Kapitel Ihres Buches kehren wir zu den positiven Aspekten Ihres Dia-logs mit meinem Denken zurück. Zunächst darf ich noch einen kleinen Irrtum Ihrerseits berichtigen. In meinem Buch habe ich nicht das Nicaeno-Constantinopolitanum zugrundegelegt, dessen Wortlaut Sie dankenswerterweise dem Leser mitteilen, sondern das sogenannte Apostolicum. In seinem Kern beruht es auf dem stadtrömischen Glaubensbekenntnis, das dann seit dem 3. Jahrhundert im Westen sich immer weiter mit verschiedenen kleinen Varianten ausgebreitet hat. Seit dem 4. Jahrhundert wurde es als von den Aposteln selbst verfaßt angesehen. Im Osten allerdings ist es unbekannt geblieben.
Nun aber zu Ihrem 19. Kapitel: Auch wenn Ihre Interpretation von Joh 1, 1 weit entfernt ist von dem, was der Evangelist sagen wollte, so gibt es doch eine Konvergenz, die wichtig ist. Wenn Sie freilich Dio mit la Natura ersetzen wollen, so bleibt die Frage, wer oder was denn diese Natur ist. Sie wird von Ihnen nirgends definiert und erscheint insofern als eine irrationale Gottheit, die nichts erklärt. Vor allem aber möchte ich noch darauf hinweisen, daß in Ihrer Religion der Mathematik drei grundlegende Themen der menschlichen Existenz ausgeblendet bleiben: die Frei-heit, die Liebe, das Böse. Ich wundere mich, daß Sie die Freiheit, die doch der tra-gende Wert der Neuzeit war und ist, mit einer Handbewegung beiseite schieben. Die Liebe kommt bei Ihnen nicht vor, und auch über das Böse gibt es keine Auskunft. Was immer die Neurobiologie über die Freiheit sagen oder nicht sagen mag: In dem realen Drama unserer Geschichte, wie wir es gerade in Italien so bedrängend erfahren, ist sie als bestimmende Wirklichkeit gegenwärtig und muß bedacht werden. Ihre mathematische Religion kennt aber keine Antwort auf die Frage der Freiheit, läßt die Liebe aus und gibt uns keine Auskunft über das Böse. Eine Religion, die diese Grundfragen ausklammert, bleibt leer.
Sehr geehrter Herr Professor, meine Kritik an Ihrem Buch ist in Teilen hart. Aber zum Dialog gehört Offenheit; nur so kann Erkenntnis wachsen. Sie waren sehr offen, und so werden Sie akzeptieren, daß auch ich es bin. Jedenfalls aber empfinde ich es als sehr positiv, daß Sie so einen offenen Dialog mit dem Glauben der katholischen Kirche durch Ihr Gespräch mit meiner Einführung in das Christentum gesucht haben und daß trotz aller Gegensätze im zentralen Bereich die Konvergenzen nicht gänzlich fehlen.
Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen für Ihre Arbeit
Ihr
Benedikt XVI.
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